...Für wirklich jeden? (Weihnachts-Oneshot)

Du schreibst gerne Geschichten und willst sie veröffentlichen? Dann schau hier vorbei!
Benutzeravatar
Denning
Beiträge: 62
Registriert: Mo 3. Nov 2008, 13:28
Wohnort: Samtgemeinde Papenteich
Kontaktdaten:

...Für wirklich jeden? (Weihnachts-Oneshot)

Beitragvon Denning » Mi 24. Dez 2008, 22:05

Mit diesem Text nehme ich an einem wettbewerb bei animexx teil^^
Die Zeit, an der ich Pausenlos dran gearbeitet habe, beläuft sich auf etwa 24 Tage^^
Frohe Weihnacht euch allen^^

An Tagen wie diesen hätte Bekkie ihren Tränen am Liebsten freien Lauf gelassen.
Ziel- und Orientierungslos taumelte sie durch die leeren, nächtlichen, durch den weißen Schnee, der das Mondlicht in sich aufzunehmen schien, in eine unwirkliche Helligkeit getauchten Straßen der Stadt. Ihre müden, hellbraunen Augen begannen jedes Mal, wenn sie einen sich bewegenden Schatten in der Dunkelheit ausmachte, hoffnungsvoll aufzuleuten, wie ein Blitz, der einschlug und die Nähere Umgebung für den Bruchteil einer Sekunde erhellte, wie auch ihr Gesicht.
Doch bis jetzt wurde sie jedes Mal enttäuscht.
Wieder erhob sich ihre Stimme, rief hinaus in die seltsam helle Dunkelheit, zwischen die Häuser, in die Gassen, in eine unbestimmte Richtung.
"Tamara! Tamara, wo bist du..?"
Keine antwort. Nichts als Stille. Bekkie war nach wie vor vollkommen allein.
Niedergeschlagen beendete sie ihren planlosen Weg an einer Sitzbank mitten in der stillen Innenstadt. sie war von kürzlich herabgefallenem Schnee bedeckt, den sie mit dem Ärmel ihres zerschlissenen, schmutzig weißen Pullovers beiseite wischte, mit der Absicht, sich zur kurzen Pause dort hinzusetzen.
Sie stütze ihren Kopf in ihre Hände und blickte ins Nichts.
Das große Karusell in der Mitte des Platzes war zugedeckt worden. Auch die Stände mit Lebkuchen, Mandeln, Frischer Bratwurst, Wärmenden Glühwein, waren allesamt geschlossen. Lediglich die Beleuchtung der großen, schneebedeckten Tanne am Rande des Platzes hatte man nicht ausgeschaltet, wodurch dieser Teil der Innenstadt in schwache Beleuchtung getaucht war und alles einen gelblichen Schein hatte.
In einem Schaufenster stand ein riesiger Adventskalender, nur vage zu erkennen im Schein der Tanne. Aus jeder der großen Türen lugte ein anderes Kuscheltier: Ein Teddy bei der 5, eine Katze bei der 18, ein Hund bei der 22. Nur die 24 war noch geschlossen.
Morgen war also Weihnachten. Das Fest der Liebe, der Tag der fröhlichen Gesichter, der lachenden Herzen.
Für fast alle.
Denn Bekkie würde wohl nie die Gelegenheit bekommen, eines der Kuscheltiere gar berühren zu können..
Als sie vor etwa zwei Stunden aufgewacht war, war ihr kalt gewesen. Sie hatte sich zu Tamara umdrehen wollen, sich wärmen, Trost in der Trostlosigkeit der Weihnachtszeit finden, der Zeit, in der sie am Meisten daran erinnert wurde, wie allein sie war, allein mit dem einzigen Lebewesen, das zu ihr hielt, ihr Freund blieb, egal was geschah.
Doch Tamara war nicht mehr da gewesen, war verschwunden, ungesehen, ohne Zeichen, mitten in der Nacht, der Nacht vor Weihnachten, dem Tag der Freude, der Gesellschaft, der Familien und Freunde, der Tag, an dem jeder irgendjemandem etwas schenkte, Herzen erfreute, Glück brachte, ein Lächeln auf ein Gesicht zauberte.
Fast jeder.
Aber so war es bis jetzt jedes Jahr gewesen. Allein, in dem verfallenem Lagerhaus, in dem sie lebte, nur zusammen mit Tamara, dem schneeweißen Husky, der sie begleitete, weil er ebenso wie sie kein Zuhause hatte, hatten sie Jahr für Jahr den Heiligabend verbracht, indem sie allein dort in der Kälte saßen und in die Flamme einer Kerze starrten, die sie irgendwann auf der Straße gefunden hatte und wahrscheinlich nur noch für dieses Jahr reichen würde, genau wie das Feuerzeug, das sie aus dem Müll geklaubt hatte und dem sie bis jetzt noch ein, zwei Flammen hatte entlocken können, jedes Jahr einmal, am 24gsten Dezember, zusammen mit Tamara, die eng angeschmiegt Bekkie wärmte.. Oder umgekehrt.
Doch jetzt war Tamara verschwunden. Und Bekkie saß allein dort in der Dunkelheit und zitterte vor sich hin, vor Kälte, vor Angst, vor Verzweiflung, und starrte Apathisch auf das verdeckte Karusell.
Irgendwo erklang die Kirchenglocke. aus Gewohnheit zählte sie die Schläge die aus der Ferne zu ihr drangen und in der Dunkelheit verhallten, sich irgendwo in den plötzlich aufgezogenen Wolken verloren. Zwölf Mal erklang der Glockenschlag. Dann herrschte wieder die bedrückende Stille vor.
Bekkie schauderte leicht, als sie etwas Kaltes auf ihrem Nacken spürte, hob dann ihre zitternden, bloßen Hände, um sich die abgenutzte, stellenweise löchrige Kapuze ihres Pullovers überzustreifen.
Es begann zu schneien. weiße Schneeflocken, die chaotisch durch die Luft wirbelten und mit der Zeit spuren verwischen würden, irgendwann den Schnee, den sie von der Bank gestreift hatte, ersetzen würden...
Ein Rabe krähte und stieß aus der beleuchteten Tanne, woraufhin der sich dort angesammelte Schnee herabfiel und die erleichterten Äste unruhig auf und ab wippten, das Licht der Lampen mit diesem Wippen über den Platz wanderte und Dinge beleuchtete, die vorher noch im Dunkeln gestanden hatten, eine Bratwurstbude, eine weiße, um die Ecke huschende und dann in einer Gasse verschwindende Silhouette, dann das Schaufenster mit dem Adventskalender. Dann fand es wieder seine Ruhe und strahlte wieder einheitliches Licht über den Platz.
Bekkie schrak auf, war mit einem Satz auf den Beinen, hinterließ knirschend zwei tiefe Fußspuren im Schnee und ließ hastig ihren panisch hoffnungsvollen Blick wandern.
Dann rannte sie los.
Da war eine weiße Silhouette um die Ecke gehuscht und in eine Gasse verschwunden.
Dieses Mal gab es keinen Zweifel. Es war nicht einfach nur ein Schatten gewesen.
"Tamaraa!!", rief sie, so laut sie konnte, mit rasendem Herzen, aufgerissenen, vom eindringendem Schnee tränenden Augen, rannte, rannte in die unbeleuchtete Gasse, versuchte, ein Zeichen duch die dichte Wand aus Schneeflocken zu erspähen, in der Dunkelheit die weiße Silhouette eines Hundes, des Hundes zu erblicken, rief noch einmal den Namen Tamaras, strauchelte, stolperte in der Dunkelheit, unfähig, zu erkennen, was in ihrem Weg war, fiel, prallte auf den kalten, schneebedeckten Boden, ignorierte die Kälte, die Schmerzen, die Panik, blickte hoch, stemmte sich mit bloßer Hand hinauf, um aufzustehen, weiterzulaufen, zu Tamara, um sie endlich wieder in die Arme schließen zu können, rutschte jedoch auf der Halbtauben Hand ab und landete wieder bäuchlings im Schnee.
"Tamara!! Lauf nicht weg..! Lass mich nicht.. Komm zurück..!!"
Sie lag dort in Pullover und zerschlissenen Stoffhosen in der Kälte und rief dies alles aus, mit ganzer, letzter Kraft, wollte sich wieder aufstützen, sank aber kraftlos zurück und fiel mit ihrem Gesicht auf das eiskalte Polster aus Schnee, spürte jetzt die eisige, betäubende Kälte des weißen Pulvers mit voller Kraft, spürte die Schneeflocken auf ihrem Nacken.
Sie wollte doch nur mit Tamara zusammen Weihnachten feiern...
Weihnachten, das Fest der Wärme, des Glücks, der Geborgenheit. Heiligabend, der Abend, an dem überall Tränen des Glücks flossen, Umarmungen geschlossen wurden, ruhige, fröhliche, besinnliche Lieder gesungen wurden.
Fast überall.


Ein letzter Blick zur Wanduhr, die tatsächlich noch viertel vor Sechs Uhr morgens zeigte, ehe mit einem doppeltem Knacken die Tür ins Schloss fiel und Oliver, eingehüllt in dunkelbrauner Jacke, Schal und Mütze, hinaus in die langsam weichende Dunkelheit blickte, die überall gemildert wurde von einer dicken Schicht strahlenden Neuschnees.
Er stolperte mit müdem Gesichtsausdruck die Treppe hinunter, gezogen von der unbändigen Kraft Ronjas, die der Grund dafür war, dass er am 24. Dezember um viertel vor Sechs nicht wie sonst im Bett, sondern unter freiem Himmel war und mit jedem Atemzug kleine, weiße Nebelwolken ausstieß. Denn er musste sich mitschleifen lassen vom Husky mit strahlend weißem Fell, der letzte Nacht für sehr viel Aufregung und Schlaflosigkeit gesorgt hatte.
Die ganze Familie hatte sie gestern wachgebellt, als sie plötzlich wieder vor der Haustür gesessen hatte, nach drei Jahren der Abwesenheit, voller Aufregung und Unruhe. Alle hatten es kaum für möglich gehalten, hatten bereits schweren Herzens mit Ronja abgeschlossen. Doch jetzt, drei Jahre nachdem sie spurlos verschwunden war, hatte sie plötzlich wieder vor der Haustür gesessen, verdreckt, mit eher grauem als weißem Fell.
Alle hatten sich riesig gefreut, es war wie ein unverhofftes, verfrühtes Weihnachtsgeschenk gewesen.
Doch hatte sie sich verändert in den drei Jahren, so wie es den Anschein hatte, denn die sonst so ruhige und gelassene Hündin fand keine Ruhe mehr. Schon in der Nacht, als sie vor ihrer Tür erschienen war, hatte sie mit derartigem Nachdruck nach Draußen gedrängt, teilweise an Oliver gezerrt, um ihn hinauszuziehen.

[...]


[url=http://www.fanficlegion.iphpbb3.com][img]http://img132.imageshack.us/img132/29/unclesamqn4.jpg[/img][/url]

Benutzeravatar
Denning
Beiträge: 62
Registriert: Mo 3. Nov 2008, 13:28
Wohnort: Samtgemeinde Papenteich
Kontaktdaten:

Beitragvon Denning » Mi 24. Dez 2008, 22:06

[...]

Doch um Mitternacht noch Gassi zu gehen, war für niemanden mehr zumutbar gewesen.
Am Morgen dann war sie nicht mehr zu halten gewesen. In aller Frühe hatte sie aufgeregt und unermüdlich bellend an der Haustür gestanden, war regelrecht an ihr hinaufgesprungen und hatte sich beinahe den Kopf an der Decke gestoßen, sodass jegliche Bettruhe unmöglich geworden war.
Das war der Zeitpunkt für Oliver gewesen, nachzugeben, und nun liefen sie die Straßen entlang, die niemand für nötig gehalten hatte, zu bestreuen, und deshalb komplett mit mindestens einem Dezimeter Schnee bedeckt waren, und Ronja, die kein einziges Mal anhielt, um ihr Bein zu heben, sondern nur unermüdlich und unbeugsam zog, machte den Eindruck, als hätte sie ein Ziel, als wüsste sie genau, wo sie hinwollte.
Während Oliver sich durch die noch leeren Straßen und Gassen ziehen ließ, begann er, wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: Träumen. Von Geschenken, Freude, dem wunderschönen Abend, der vor ihm lag.
Es war soweit: Heute hatte der beste Tag des Jahres begonnen, Heiligabend.
Und dieses Mal sogar mit mehr als genug Schnee. Jedes Jahr hatte er von weißen Weihnachten geträumt. Und heute waren sie sogar doppelt weiß:
Weiß wie der Schnee, der das Gesamtbild der Stadt und Umgebung beherrschte, und weiß wie Ronja, die nun auch wieder weiß war, nachdem sie sie in einem Gemeinschaftsprojekt einer Reinigung unterzogen hatten, ganz zu ihrem Leidwesen. Weiß wie ihr altes neues Familienmitglied, die ihn und die anderen in Zukunft wieder auf Trab halten, sie alle wieder zu Frühaufstehern machen würde.
Oh ja, verändert hatte sich einiges in den letzten Tagen, wie jedes Jahr in der Weihnachtszeit. Die ganze Familie, Mutter, Vater, seine kleinere Schwester Sarah, Großmutter, alle hatten ihre Grundstimmung, ihre Art zu reden, Dinge anzugehen, zu denken, verändert, alles hatte gelassenere, ruhigere Züge angenommen, niemand hatte mehr auch nur einen Anflug von schlechter Laune, ständig war von irgendwo im Haus ein melodisches Summen zu vernehmen.
Weihnachten war eine wunderbare Zeit.
Und jedes Jahr wollte Oliver sie so gut auskosten, wie es möglich war.
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, wurde daran erinnert, dass er sich draußen befand, in der Kälte, mit einem Hund, der ihn nun nicht mehr mitschleifte, sondern plötzlich stehengeblieben war, und beinahe als Stolperstein für Oliver fungierte, der jedoch noch kurz, bevor er in Ronja hineinlief, mit erschrocken geweiteten Augen schlitternd vor ihr zum Stehen kam.
Mit gehobenen Augenbrauen blickte er den Hund an, um den Grund seines umgeschlagenen Verhaltens herauszufinden, und brauchte nicht lang, um zu verstehen.
Nervös, unruhig und ab und zu bellend umrundete der weiße Husky eine Erhebung in der Schneedecke, einen kleinen Hügel mitten auf der Straße.
Oliver sah dem Hund verwundert zu, wie er mit dem Schwanz wedelnd an dem Hügel schnupperte, ihn mit der Nase anstupste, dann sein Bellen lauter, häufiger wurde, er Blicke zu Oliver warf.
Dieser kratzte sich am Kopf. Was war da? Ein Felsen? Oder war irgendetwas aus einem Lastwagen gefallen und zugeschneit worden..?
Die Leine in der linken, handschuhbewehrten Hand, trat er an die Erhebung im Schnee, bückte sich mit aufkommender Neugier in seinem Innern und griff an den Rand des merkwürdigen Objektes, um zu versuchen, es zu bewegen.
Es rollte sich auf die Seite, und Ronja brach in unentwegtes, aufgeregtes Gebell aus, während Oliver einen keuchenden, erstickten Schreckensschrei ausstieß und nach hinten stolperte, mit rasendem Herzen, schwerem Atem, ungläubig und erschrocken das begutachtete, was er da freigelegt hatte.
Vor ihm lag ein Mädchen, die Augen geschlossen, den Mund, dessen Lippen eine bläuliche Farbe angenommen und zum Teil mit halb geschmolzenem Schnee übersät waren, halb offen.
Dunkelbraune, Schulterlange Haare hingen in vom Schnee weißen Strähnen in ihrem Gesicht. Ein weißer, sich nur durch die leichte Verschmutzung von der Schneedecke abhebender Kapuzenpullover bedeckte ihren Oberkörper. Die Fingerspitzen waren ebenfalls Blau angelaufen, und Ronja jammerte unruhig vor sich hin, während sie sich vor dem Mädchen hingelegt hatte, und ihr die Hand, die auf ihrem Bauch ruhte, sacht ableckte, jedoch keine Reaktion zu sehen war.
Oliver war zu Tode erschrocken, wusste nicht, was er tun sollte.
Lebte sie noch?
Wie lang lag sie dort schon?
Er streckte seine Hand nach Ronja aus, versuchte, sie zu beschwichtigen.
"Ruhig, Ronja.."
Er blickte umher, nach links, nach rechts, in die Ferne, Hilfesuchend, ratlos. Er griff in seine Jackentasche, wühlte panisch in ihr herum, fand nichts. Sein Handy! Er musste es vergessen haben.. Wozu auch um 6 Uhr Morgens ein Handy zum Spazierengehen mitnehmen..?
Noch ein paar Blicke in die Ferne, zu Ronja, zu dem Mädchen, das dort lag wie ein Stein, dann fasste er einen Entschluss.
"Ach, was solls!"
Oliver ließ die Hundeleine los, woraufhin sie lautlos in den Schnee fiel, griff ans eine Handschuhe, um sie noch einmal festzuziehen.
Er bückte sich nach ihr, fasste sie an ihrem Oberkörper, die Hände auf dem Rücken ruhend, und stemmte sie hoch, legte sie mit angestrengtem Blick auf seine Schultern.
Ronja, dessen weißes Fell kaum vom restlichen Boden zu unterscheiden war, umkreiste ihn leise hechelnd und ab und zu leicht jaulend, während er, das Gesicht in Anstrengung verzerrt, mit dem leblosen Körper im Schlepptau umdrehte und mit vorsichtigen Schritten, um nicht auf dem Schnee auszurutschen, seinen Weg zurück nach hause begann.
Sie war leichter als ursprünglich erwartet, aber doch für Olivers Verhältnisse ziemlich schwer, zumal Oliver es nicht gewohnt war, Leute mit sich herumzuschleppen.
"Ruhig", versuchte er den Hund zu beschwichtigen der aufgeregt bellend ninter ihnen her lief, "Wir sehen zu Hause, was mit ihr los ist.."
Was mit ihr los war?
Nun, sie schien schon etwas länger dort gelegen zu haben, noch bevor es geschneit hatte, um genau zu sein. Sie musste Halb erfroren sein..
Wenn sie denn überhaupt noch am Leben war. Aber das spielte jetzt keine Rolle. Sie dort allein liegen zu lassen war absolut keine Option. Schon gar nicht zu Weihnachten, dem Tag, an dem jeder zumindest irgendetwas Gutes für jemanden tun sollte..
Auch wenn er sich dabei wahrscheinlich Rückenschmerzen einhandeln würde.
Aber das war eine faire Vereinbarung mit seinem Gewissen.


Wärme. Unendlich wohlige Wärme. Ruhige, stille Musik, untermalt von einem glockenhellen Chor..
So fühlte es sich also an, tot zu sein...
Es war wunderschön...
Bekkie traute sich nicht, ihre Augen zu öffnen. Hatte Angst, dass all dies, das wunderschöne, warme Gefühl, wie von einer Decke umgeben zu sein, nur eine Illusion war, ein Traum, und sie aufwachen würde, wieder zurück in die Realität gerissen werden würde, in die Kälte, den Schnee, die Einsamkeit, die Verzweiflung.
So atmete sie ruhig, oder bildete es sich zumindest ein, nahm den angenehmen Duft nach brennendem Kaminholz in sich auf, lauschte den leise flüsternden Stimmen, gab sich der trügerschen Illusion der Gesellschaft, der Geborgenheit hin...
"...sollte sie vielleicht einmal zur Untersuching bringen, wenn sich die Gelegenheit bietet..."
Es war die Stimme eines jungen Mannes, vielleicht zwei Jahre älter als Bekkie. Sie klang warm, ruhig und leise. Ihm antwortete eine etwas älter klingende Frau mit einem Hauch von Nachdenklichkeit in ihrer Stimme.
"Vielleicht hast du Recht.. Ronja verhält sich wirklich ungewöhnlich, wer weiß, was sie sich in der ganzen Zeit da draußen eingefangen hat.."
"Mama, ich rede nicht von Ronja! Falls du es noch nicht mitgekriegt haben soltest, liegt da im Bett seit etwa zwölf Stunden ein Mädchen, dass beinahe einen Erfrierungstod gestorben wäre! Ronja geht es gut, ich rede hier von ihr!"
Bekkie merkte auf. Redete man da über sie?
...beinahe einen Erfrierungstod gestorben wäre..
Sie versuchte, ihre wirren Gedanken ein wenig zu ordnen.
Etwas drängte in ihr, ihre Augen zu öffnen, sich endlich Klarheit zu verschaffen, doch immer noch wirkte da diese Angst entgegen..
"..Ach, tut mir leid, Oliver, ich bin nur so kirre heute, wo wir doch gleich zum Weihnachtsmarkt gehen und so viele Sachen passiert sind, und außerdem weiß ich immer noch nicht, was ich zur Bescherung anziehen soll.. Ach stimmt, was machen wir eigentlich mit ihr, wenn wir zum Weihnachtsmarkt gehen?"
Nervöse Schritte begleiteten jedes Wort der Frau, und ab und zu klirrte etwas oder schloss sich eine Schublade. Die männliche Stimme meldete sich wieder und klang teils genervt, teils belustigt.
"Ich weiß, dass du kirre bist, aber setz dich doch bitte um Himmels Willen einmal hin und hör auf, alle anderen im Haus auch noch verrückt zu machen! Sieh, Ronja fängt auch schon wieder an!"
Allerdings.
In Bekkies unmittelbarer Nähe war seit einiger Zeit ab und zu ein nervöses, leises Bellen zu hören, dessen Quelle sie durch einen Luftzug auf und ab laufen spürte.
Und der Drang, ihre Augen zu öffnen, wurde immer größer...
War sie denn jetzt tot oder nicht?
Dieses ganze Gefühl war einfach nur traumhaft. Seit jahren hatte sie nicht mehr die Wärme von knisterndem Brennholz verspürt oder seinen Duft eingesogen..
Nocheinmal vernahm sie das Bellen, gefolgt von einem leisen Jaulen.

[...]
[url=http://www.fanficlegion.iphpbb3.com][img]http://img132.imageshack.us/img132/29/unclesamqn4.jpg[/img][/url]

Benutzeravatar
Denning
Beiträge: 62
Registriert: Mo 3. Nov 2008, 13:28
Wohnort: Samtgemeinde Papenteich
Kontaktdaten:

Beitragvon Denning » Mi 24. Dez 2008, 22:07

[...]

Und mit einem Schlag wurde ihr plötzlich bewusst, woher sie dieses Bellen so gut kannte.
Sie riss ihre Augen auf, richtete sich reflexartig, automatisch auf. Etwas Feuchtes rutschte ihr von der Stirn und fiel mit einem Klatschen auf den Boden.
Das Herz raste ihr in der Brust, als sie entgeistert die erstarrte Szene sah.
Dort stand jemand, in dunkelbraunem Rollkragenpullover gekleidet, und war in seiner Bewegung erstarrt, blickte ihr überrascht ins Gesicht. Wieder schepperte etwas. Eine Frau, dessen blondes Haar in Wellen von ihrem angesichts leichter Korpulenz ansatzweise aufgeblasen aussehenden Kopf herunterhing, hatte erschrocken einen kleinen, hölzernen Schmuckkasten fallen gelassen.
Eine bernsteinerne Kette war beim Aufprall auseinandergefallen, und eine einzige, große Perle rollte langsam über das hölzerne Parkett, kam dann kreisend vor den Pfoten eines weißen Hundes zum erliegen, der nun still geworden war und Bekkie sitzend und mit heraushängender Zunge mit seinen ausdrucksstarken Augen anblickte.
Im Kamin in der Ecke des Raumes prasselte die neben einigen Lämpchen an den Fenstern einzige Lichtquelle, ein gesundes, ruhiges Feuer, und aus einem altmodischem, riesigem Radio schallten leicht knisternd und rauschend die von vielfachen Stimmen gesungenen Worte:

"Weihnacht, oh Weihnacht, besinnliche Zeit..
Goldener Stern gibt sich´res Geleit..
Den Königen, dreien, zu finden das Kind,
das lag dort im Stall zwischen Esel und Rind

Erinnern uns alle wir Jahr für Jahr,
was damals im Stalle geschehen war..
Geboren ein Kindlein, so lieblich und rein,
Begründer der Liebe in des Sternes Schein..."

"T..Tamara..?"
Es war ein leises, ungläubiges, erschrockenes Flüstern.
Und wie zur Bestätigung setzte der Hund plötzlich zum Sprung an. Zwei Marken an seinem ledernen Halsband klirrten leicht gegeneinander.
Bekkies Augen weiteten sich als sie nach hinten gerissen wurde durch die Wucht des Sprungs, das, Gewicht des Vierbeiners auf ihr lag und eine warme, nasse Zunge ihr über das Gesicht fuhr.
Sie kümmerte sich jetzt nicht um das Wieso und Woher, denn sie war gerade vollauf damit beschäftigt, ihr Gesicht zu schützen und leicht kichernd ihren Kopf zur Seite zu drehen, woraufhin sie in ein entsetztes Gesicht der Frau blickte, die mit schnellen Schritten auf das Bett zuging, auf dem sie lagen.
"RONJA! Was hast du auf dem Bett zu suchen?! Hat man dir nichts beigebracht?? Aus! Pfui! Aus!"
Der Druck auf Bekkies Brust ließ nach, als Tamara leise jaulend den Anweisungen der Dame folgte. Sie ließ ihre Arme sinken und sank erschöpft zurück.
Wäre dies ein Traum gewesen, wäre sie spätestens jetzt aufgewacht.
Während man im Hintergrund den schuldbewusst dreinblickenden Hund zurechtwies, erschien über Bekkies Gesicht das des jungen Mannes und gewährte Einblick in besorgte Züge, jedoch immer gemischt mit dem kleinen Anflug eines Lächelns.
"Du bist wach..! Ist alles in Ordnung mit dir?"
sie überlegte kurz, betrachtete noch ein wenig seine Züge, ehe sie sich entschloss, leicht zaghaft zu nicken.
"J..Ja, ich denke-"
Plötzlich entfuhr ihr ein lauter Nieser und der junge Mann im Rollkragenpullover zog fluchtartig seinen Kopf zurück, hielt sich beide Hände schützend vor sein Gesicht und lachte dann leicht.
"Nunja, anscheinend wohl doch nicht so ganz, oder?"
In Wirklichkeit im moment besser als je sonst, wollte sie am Liebsten antworten.
Stattdessen sprach sie mit leicht unsicherer Stimme und setzte sich auf, ihre Hände ruhten auf der von weißen Hundehaaren übersäten Decke.
Jetzt hatte sie Fragen.
"Wo.. Wo bin ich hier eigentlich.. Und was is passiert, und wieso ist Tamara hier..?"
Er hob leicht seine Augenbrauen.
"Wieso Tamara..?"
"Anstatt für den Namen des Hundes solltest du dich vielleicht zuerst einmal für ihren Namen interessieren!"
Er rollte mit den Augen und drehte sich zur Frau um, die gerade dabei war, den Lappen, der auf Bekkies Stirn gelegen hatte, in einen dampfenden Eimer auszuwringen und dann wieder zusammenzufalten.
"Das musst du gerade sagen, die erst nach Ronjas Wohlbefinden und dann erst nach jemand anderem fragt!"
"Das ist doch was anderes" Du kannst nicht einfach ein Hund einem schönen Mädchen vorziehen..."
"Ooch, Mama, jetzt fang nicht wieder damit an..!"
Er drehte sich wieder zu Bekkie um und eigte ein warmes, freundliches Lächeln.
"...Aber sie hat Recht.. Verzeih, ich hätte dich gleich fragen sollen.. Möchtest du mir vielleicht deinen Namen sagen?"
Als sie leicht mit dem Kopf nickte, wurde ihr Blick abgelenkt von ihren Haaren, die ihr über das Gesicht strichen.
"Eigentlich Rebecca.. Aber die Meisten nennen mich Bekkie..."
Es sollte optimistisch klingen. Im Grunde war ihr Rufname "Mädchen" oder, wenn man schlechte Laune hatte, "Göre"..
"Bekkie also.." antwortete er schließlich, und ihren eigenen Namen aus dem Mund eines anderen zu hören, klang in ihren Ohren wie ein seltsamer Gesang aus einer andeen Welt.
"Ich bin Oliver. Freut mich, ähm, dich kennenzulernen, Bekkie!"
Oliver kratzte sich leicht am braunhaarigen Kopf, doch die Sicht auf ihn wurde plötzlich wieder versperrt durch die andere, dauerwellenblonde Frau, die mit sanftem, aber bestimmtem Druck versuchte, Bekkie dazu zu bewegen, sich wieder hinzulegen und nach Erfolg dieses Versuches ihr den warmen, feuchten Lappen wieder auf die Stirn zu legen.
"Hach, mein Sohn ist ja so gut erzogen und zuvorkommend, nicht wahr, Rebecca? Bist du dir sicher, dass du nicht doch lieber noch ein wenig liegen bleiben willst? Ach, und du darfst mich gerne Rosa nennen..!"
Bekkie kämpfte ein wenig sowohl gegen die sanfte, fürsorgliche Gewalt Rosas als auch gegen den Schwall aus Wörtern, der ihr entgegenschlug, an.
"Ähm.. Vielen Dank, Frau Rosa.. Mir geht es gut, wirklich.."
"Jaja, das Kenn ich. Da liegt wer halbtot auf dem Boden und presst mit allerletzter Kraft die Worte "Mir geht es gut" hervor, bevor der Krankenwagen kommt und sie feststellen, dass 28 Knochen zersplittert sind."
"Mama! Sie lag halbtot auf dem Boden! Aber jetzt ist sie hier und sagt, es geht ihr gut!"
"Trotzdem braucht sie Erholung und sollte sich nicht zuviel bewegen -"
"Mama, du machst Ronja wieder nervös."
Der schneeweiße Vierbeiner stieß einen leicht quiekenden Laut aus und legte siene Pfoten auf die Bettkante, um Bekkie unverwandt und fragend anzublicken.
Rosa stöhnte auf und faste sich mit beiden Händen an den Kopf. der Hund drehte seinen Kopf und richtete seinen Blick auf sie. Eine Weile lang starrten sie sich an. Nach einiger Zeit wandte Rosa ihren Blick ab und musste ein wenig kichern.
"Kaum kreuzt Ronja hier wieder auf, übernimmt sie wieder das Sagen.. Noch nicht mal ihren Blicken kann ich standhalten..", murmelte sie lächelnd über ihre Schultern und die Stimmen im Radio hinweg. Dann öffnete sie mit einem knarrenden Quietschen die Holztür.
"Ich muss deinem Vater mal sagen, dass du mal diese Tür in Ordnung bringst", war das Letzte, was zu hören war, ehe die Tür sich wieder schloss.
Für einen Moment beherrschte das Knistern des Kaminfeuers wieder die Geräuschkulisse, als die Klänge aus dem Radio verstummten und stattdessen die männliche Stimme eines Moderators sich Meldete.
"Damen und Herren, es ist 18:30, und die Weihnachtsmärkte und -beleuchtungen machen heute etwa 80% des Nationaleinkommens aus, abgesehen von den Heizungen, denen Sie heute Nacht wirklich viel Energie zufühhren müssen, damit sie eine Chance haben, gegen die Klirrende Kälte anzukämpfen, denn eines kann ich Ihnen versprechen: In den Nächsten Wochen wird es wirklich... verdammt... kalt werden..!"
Bekkie, die dort lag und sacht mit der Hand durch das Fell des Hundes fuhr, fröstelte unwillkürlich bei diesen Worten.
Oliver setzte sich leicht seufzend an die Bettkante und blickte den Husky eine Weile leicht verträumt an. Dann richtete er etwas plötzlich seinen Blick wieder auf Bekkie, woraufhin sie leicht zusammenzuckte, als sie von seinen Worten aus ihren Gedanken gerissen wurde.
"Sag mal, wie kam es eigentlich dazu, dass du bewusstlos und zugeschneit auf der Straße lagst..?"
Sie antwortete nicht Sofort. Sie blickte nur Tamara in ihr unergründliches Gesicht.
"Ich.. haba Tamara gesucht.. Sie war plötzlich verschwunden.."
"Tamara.. Du hast Ronja, also diesen Hund, so genannt.. Ist sie das?"
"Ja, das ist sie.. Und deshalb verstehe ich auch nicht, warum sie plötzlich hier ist.. und ich hier bin.."
Oliver hielt sich die Hand ans Kinn und blickte kurz ins Leere.
"Das frage ich mich ehrlich gesagt auch.. Tama.. ich meine, Ronja ist uns vor drei Jahren entlaufen.."
"W..was?"
Bekkie richtete sich auf und blickte Oliver mit geweiteten Augen an. Dieser machte ein nachdenkliches Gesicht, ebenso war sein Tonfall, als er sprach.
"Wir haben sie überall gesucht, aber nirgends gefunden.. Aber gestern Nacht ist sie plötzlich wiedergekommen.."
"Verstehe..", flüsterte sie nun und senkte ihren Blick.
Tamara war nur nach Hause gelaufen.. Sie hatte also die ganze Zeit ein Zuhause gehabt..
"Als sie dann wieder auftauchte", fuhr Oliver nun fort, "war sie ganz aufgeregt und nervös.. Dann, heute Morgen, bin ich mit ihr nach draußen gegangen und sie hat mich nur mitgezerrt und landete dann.. wo du lagst. Und da konnte ich dich nicht einfach so liegen lassen, ist ja klar..

[...]
[url=http://www.fanficlegion.iphpbb3.com][img]http://img132.imageshack.us/img132/29/unclesamqn4.jpg[/img][/url]

Benutzeravatar
Denning
Beiträge: 62
Registriert: Mo 3. Nov 2008, 13:28
Wohnort: Samtgemeinde Papenteich
Kontaktdaten:

Beitragvon Denning » Mi 24. Dez 2008, 22:07

[...]

Und jetzt scheint Ronja auch wieder wie immer zu sein.."
Bekkies Blick fiel auf das Halsband, das Tamara an ihrem Hals trug. Dann hob sich ihr Blick wieder.
"Ta.. Tamara gehört also Euch.. und.. bleibt auch jetzt hier..?"
Oliver hatte wohl Bekkies umgeschlagenen Blick richtig gedeutet und lächelte nun erneut, dieses Mal gemischt mit einem hauch Besorgnis und Mitleid.
"Hm.. Dir muss ja viel an ihr gelegen haben, wenn du bis zur Ohnmacht mitten in der Nacht nach ihr suchst.. Sag mal, was ist eigentlich mit deinen Eltern? Machen die sich keine Sorgen um dich? Es wurde noch niemand als vermisst gemeldet.."
Sie schluckte, spürte ihren Blick abschweifen. Dann, nach einiger Zeit der Stille, schüttelte sie ganz leicht, fast unmerklich, den Kopf.
"Ich.. habe keine Eltern.."
Olivers Augen weiteten sich leicht.
"Oh, das.. tut mir leid.. Aber deine Stiefeltern werden sicherlich-"
"Ich habe keine Stiefeltern."
Er fasste sich überrascht und leciht beschämt ans Kinn.
"Dann lebst du also bei Onkel und Tante.."
"Nein, keinen Onkel und keine Tante.."
"Dann vielleicht deine Großeltern..?"
jetzt schüttlete sie etwas energischer den Kopf. Sie spürte Tränen, die sich in ihr ansammelten, jetzt, wo Oliver alles aufzählte, was sie nicht hatte.
Er ließ die Arme sinken und blickte ihr ratlos in das Gesicht. Sie erwiderte seinen Blick mit ihren Augen, in denen der kleine Rest Traurigkeit zu sehen war, die sie nicht zurückhalten konnte.
Sicher, er konnte nicht verstehen, dachte nicht einmal an die Möglichkeit.. Schließlich lebte er in einer komplett anderen Welt..
"Sag, wo wohnst du dann..?"
"In der Hafenstraße."
"Hafenstraße?"
Sein Gesicht zeigte Überraschung und Argwohn. Er schien zu überlegen, was ihre Worte bedeuteten..
"Aber in der Hafenstraße gibt es doch nichts als Fabriken und Lagerhäuser..?"
Sie nickte nur.
"Das ist richtig.. Aber einige von ihnen stehen auch leer.."
Jetzt war es wieder kurz still. Während dieser Zeit der Stille wandelte sich Olivers Gesicht langsam von ungläubig und unverstehend in erschrocken und entsetzt um.
"W..wie, meinst du damit, du wohnst in einem dieser Lagerhäuser in der Hafenstraße?"
"Das stimmt", bestätigte sie und nickte kurz erneut mit ihrem Kopf, nachdem sie sich wieder aufgesetzt hatte und das feuchte Tuch mit einer Hand an ihrer Stirn festhielt.
"..Ganz allein?"
Jetzt zeigte sie ihm ein Kopfschütteln.
"Tamara war immer noch bei mir.. Aber sonst niemand, nur Tamara."
Oliver schien keine Worte mehr zu finden. Schließlich sprach er gebrochen und abgehackt.
"Das.. das ist.. wusste ich nicht.."
"Bleibt Tamara jetzt hier?", setzte sie nach, und tat sich schwer, ihre Stimme sicher zu halten, das verräterische Zittern in ihr zurückzuhalten. Sie hatte gelernt, dass man Verzweiflung und Trauer zu verbergen, nie zu zeigen hatte. Und schon gar nicht, zu weinen. Nur fruchtlose Verschwendung von wertvoller Energie.
"Jetzt ist sie ja.. zu Hause... bleibt sie denn jetzt hier bei euch?"
Olivers Augen hatten sich noch mehr geweitet. Er schwieg, öffnete seinen Mund, schloss ihn wieder, schüttelte dann mit geschlossenen Augen den Kopf.
Als er dann aufstand und eine leichte Vertiefung im weißen Bettlaken hinterließ, stolperten ihm die Worte ein wenig hastig durch den Mund.
"Bitte warte kurz, ich bin gleich zurück."
Schnelle, immer leiser werdende Schritte waren das nächste und Letzte, was von ihm zu vernehmen war, und langsam fiel die Tür des Zimmers wieder zu.
Im Radio lief eine ruhige, langsame Melodie, und im Kaminknisterten die Holzscheite, die vom warmen, lichtspendenem Feuer traktiert wurden.
Bekkie fiel wieder zurück auf ihr Kissen, starrte an die mit Holz verkleidete Decke, an der das Licht des Kaminfeuerssein unruhiges Spiel spielte.
Natürlich, alles hatte seine Kehrseiten.
Jetzt ging es ihr gut, sie war gerettet worden, und hatte auf diese Weise auch Tamara wiedergefunden..
Doch sie würde wieder zurück müssen, in das Lagerhaus, in die Kälte, in die EInsamkeit.
Und Tamara..?
Im Grunde war all dies tatsächlich nichts als ein Traum, wenn man es genauer betrachtete...
Hatte man ihr eigentlich einen Gefallen getan, indem man ihr das Leben gerettet hatte..?
Ihr Kopf wandte sich nach links. Dort starrte Tamara sie nach wie vor scheinbar mitleidig an.
"Tamara.. Warum bist du nur weggelaufen..? Warum tust du mir so etwas an? Und das.. zu Weihnachten.."
Weihnachten, dem...
Die Tür öffnete sich. Bekkie blickte auf. Dort standen fünf Leute.
An der Spitze der Gruppe standen Rosa und Oliver mit unergründlichen Gesichtern. Ein wenig weiter hinten ein älterer Mann, an dessen Arm ein Mädchen hing, das wohl zwei Jahre jünger als sie sein musste, und dessen blonde Haare in einem langen Zopf nach hinten gebunden waren. Im Hintergrund stand eine alte Dame, dessen faltiges Gesicht verriet, dass sie wohl schon oft in ihrem Leben gelacht hatte.
Einen Moment war alles still. bekkie schien alles wie von oben aus der ferne zu beobachten und fühlte, wie sich ihr Körper langsam wieder aufrichtete.
Was würden sie ihr jetzt mitteilen..?
"Ähm.." begann nun Rosa, schien noch etwas unsicher in ihren Worten zu sein, festigte dann aber ihre Stimme wieder, als hätte sie sich selbst dazu ermahnt.
"Ähm, wir haben ein wenig.. diskutiert, und sind alle irgendwie mehr oder weniger zum Schluss gekommen, dass.."
Bekkie hielt die Luft an, starrte der Gruppe Menschen in ihre Gesichter, die dort vor der Tür im Raum standen. Rosa holte Luft, um fortzufahren, und noch während sie sprach, war es ihr anzusehen, dass jedes Wort einem kleinen Stück Stein glich, dass von einem großen Felsen in ihr abbröckelte.
"...dass Ronja.. oder Tamara, wie du sie nennst... auf jeden Fall hier bei uns bleiben wird."
Bekkie ließ ihre Arme sinken. Sie bereitete sich innerlich auf den Kampf gegen ihre Gefühle vor, plante, ein trockenes, ruhiges "Verstehe" als Antwort zu geben.
Doch sie schaffte es nicht. Etwas hatte ihr den Hals verknotet.
Deswegen hatte sich also die ganze Familie hier versammelt... um ihr zu sagen, dass sie Tamara nie wieder sehen würde...
Sie hatte ja ein Zuhause. Und sie war ja jetzt hier. Also würde sie bleiben. Natürlich.
Immernoch hatte niemand etwas gesagt. Es wurde sich nur gegenseitig angestarrt.
Das Radio spielte etwas von Geschenken und Familienglück und hunderten von Kerzen an einem Weihnachtsbaum. Fast schon wie um sie zu verhöhnen.
Nicht weinen, war der einzige Gedanke, auf den sie sich jetzt konzentrierte, nur um nicht dazu zu kommen, an ihre Zukunft dort draußen zu denken, eine Zukunft ohne Tamara.
"Aber.."
Bei diesem Wort zuckte sie leicht zusammen, wurde aus ihrem Konzept gerissen, ihren anstrengungen, nur an das Eine zu denken.
Rosa räusperte sich leicht und schien abzuwarten, ob sie nun wirklich das Wort hatte oder nicht.
"Aber... Wir wollten die fragen, ob du zum Klamotten- und Bettwäschekauf, den wir nach dem Weihnachtsmarkt machen wollen, vielleicht mitkommen willst, damit du dir vielleicht selbst etwas aussuchen kannst.. Wir wissen ja schließlich nicht, was dir so Kleidertechnisch gefällt.."
die Worte kamen gar nicht so recht bei ihr an. Zumindest ihre Bedeutung und der Zusammenhang nicht.
"Ähm..", war das Einzige, was sie zustande bringen konnte.
"W..wie, was, kaufen?"
Rosa trat einen kleinen Schritt vor und rollte mit ihen Augen.
"Na hör mal, du kannst doch nicht die ganze zeit nur in dem selben, dreckigen Pulli rumlaufen, und Sarahs Sachen sind dir auf Dauer doch viel zu klein..!"
"W..wie?"
Sie blickte auf sich hinab.
Das war es also! Sie hatte die ganze zeit nicht darauf geachtet, so etwas unwichtiges.
Aber jetzt fiel ihr auf, wie eng das kleine, rote T-Shirt war, das sie trug; Und dass sie etwas anderes als ihren Pulli trug.
Sie blickte wieder auf und starrte sie verwirrt an, während Rosa fortfuhr.
"...Und außerdem will doch jeder gerne mit eigener Bettwäsche schlafen.. Und vielleicht möchtest du dein Zimmer ja auch ein wenig nach eigenem Geschmack einrichten.."
Ihre Kinnlade klappte hinunter. Gerade verstand sie überhaupt nichts.
Was redete Rosa da?
"W..wie.. Dort, wo ich wohne, habe ich kein Bett.. und auch kein Zimmer.."
Sie seufzte leicht und schloss gespielt genervt die Augen.
Oliver trat an ihre Seite und hob nun seinerseits die Stimme. Und immer war sein Lächeln auf seinem Gesicht.
"Glaubst du denn, wir lassen dich wieder zurück zum Lagerhaus gehen und erfrieren?"
"Sie muss noch ein wenig verwirrt im Hirn sein..", wandte rosa mit wissendem Blick zu Oliver ein. "..denkt, wir schicken sie wieder weg.."
"A..Aber..", begann Bekkie nun, und ihre Gedanken überschlugen sich. Sie konnte diese Neue Möglichkeit nicht erkennen, nicht auffassen. Sie war einfach viel zu abwegig, als dass sie bis jetzt einen gedanken daran verschwendet haben konnte.
"Aber Sie können doch nicht.. Sie wollen mich... Nein, das geht doch nicht.. Wo.. Was.. "
Jetzt meldete sich der andere Mann zu Wort, der etwas Ältere mit dem Mädchen -Sarah?- am Arm.
"Ich glaube, was du sagen willst, entspricht ungefähr unserem Vorschlag.. wenn du willst, kannst du ab jetzt bei uns wohnen, wir haben noch ein Zimmer frei, wo wir bis jetzt nur irgendwelchen Kram gelagert hatten.. Es wäre für uns kein Problem.."
Bekkie schwieg.
Nein. Das war ein Traum.
Das konnte nur ein Traum sein.
Überhaupt, wer wusste schon, wie es war, tot zu sein? Vielleicht war der Tod ja einfach nur ein wunderschöner, endlos langer Traum...
Ja, so musste es sein. Sie lag in wirklichkeit dort draußen im Schnee und war nur noch ein lebloser, kalter Körper..
Aber...

[...]
[url=http://www.fanficlegion.iphpbb3.com][img]http://img132.imageshack.us/img132/29/unclesamqn4.jpg[/img][/url]

Benutzeravatar
Denning
Beiträge: 62
Registriert: Mo 3. Nov 2008, 13:28
Wohnort: Samtgemeinde Papenteich
Kontaktdaten:

Beitragvon Denning » Mi 24. Dez 2008, 22:08

[...]

"Und, was ist jetzt? Willst du wirklich zurück dorthin, wo du früher warst, oder bleibst du bei uns?"
Sie wusste nichts zu sagen. Konnte es nicht für Möglich nehmen.
Es war einfach viel zu abwegig.
"Sie.. Sie können mich doch nicht.. einfach.. aufnehmen.. Ich bin doch nur ein.. Ich kann das nicht annehmen!"
Wie gerne wollte sie es einfach.
Doch vielleicht spielte man ja nur ein Spiel..
Oder wachte sie doch gleich auf..?
Rosa schüttelte erneut mit geschlossenen augen den Kopf und stieß Oliver leicht an.
"Verstehst du, was ich meine? Sie leidet bestimmt unter.. Schneefieber, oder so... Glaubt tatsächlich, wir lassen sie wieder zurückgehen..
Und jetzt machen wir alle schluss mit den witzen und ziehen uns a, wir wollen schließlich zum Weihnachtsmarkt! Und, ach ja, ihr anderen solltet Euch mal vorstellen, damit Rebecca weiß, mit wem sie ab jetzt zusammenleben wird!"

Es war hell. Trotz der Tatsache, dass es Nacht war.
Denn überall leuchteten Lampen, Lichterketten, Kerzen. Und es duftete nach Lebkuchen.
Bekkie ging dort zwischen fünf Leuten, in der Hand einen Stiel aus Holz, an dem ein warmer, leuchtend roter Bratapfel steckte.
Sie starrte ihn an, betrachtete ihn von allen Seiten. die ganze Zeit, die sie dort gingen und die Stände betrachteten, in denen alles Mögliche ausgestellt war, was sie bis jetzt nur aus der Ferne betrachten konnte. Gemeinsam. Und Tamara ging an ihrer Seite.
Sie biss nicht in den Bratapfel. Es war viel zu schade, ihn aufzuessen. Ihn schon in der Hand zu haben, war nie etwas, an das sie auch nur einen Moment gedacht hatte.
Es war Weihnachten. Fast neun Uhr Abends.
bald würden sie nach hause gehen und All die Geschenke auspacken.
Aber vorher würden sie noch Klamotten für Bekkie kaufen.
An Weihnachten.
Heiligabend, dem Tag, an dem Leute sich nach Jahren wiedertrafen, sich wieder sahen, sich voller Glück umarmten. Die Zeit, an der es in der Stadt auch nachts hell war, da überall an den Häusern Lichterketten hingen, in der Kinderaugen leuchteten, Freudenschreie ausgestoßen wurden, in der Kirche langsame, ruhige Gesänge gesungen wurden, Krippenspiele vorgeführt wurden, und das Herz eines Jeden vor Glück höher schlug. Eine Zeit voller Glück, an der es für jeden etwas gab, das einem Freude bereitete, und war es noch so klein und unwichtig.
Für wirklich jeden.
[url=http://www.fanficlegion.iphpbb3.com][img]http://img132.imageshack.us/img132/29/unclesamqn4.jpg[/img][/url]


Zurück zu „Fan Fiction“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste